Lilou

Frankreich, Schüleraustausch auf dem Land. Heimelig war es. Große Bol mit Milchkaffee am Morgen, 2 Kinder, die Eltern, die Großeltern und ein kleiner Hof mit wenigen Tieren. Es war mein erster Schüleraustausch. Wie alt ich war, ich weiß es nicht mehr sicher. 12 Jahre denke ich. Die Kinder führten mich herum, stellten mir alle Tiere mit Namen vor. Am Hasenstall hoben sie mir lächelnd Lilou in den Arm. Eine kleine Hasendame mit schwarzen runden Fellringen um die Augen und langen schwarzen Ohren, die sich vom weißen Fell absetzten. Jeden Tag sah ich nach ihr und schloss sie ins Herz. Die Tage vergingen, es wurde Ostern und man setze sich an den Tisch für ein Festmahl. Töpfe wurden aufgetragen und ich fragte nach, was es denn war, das da in der Soße schwamm.
„Lilou“, bekam ich vom Stimmenchor am Tisch mitgeteilt.

Da schwamm sie, zur Unkenntlichkeit zerkocht, ohne schwarz und weiß in der Tunke. Mir schwammen die Augen, niemand hatte mir gesagt, dass die Tiere mit den wunderschönen Namen hier auf den Tisch kommen.
Ich legte das Besteck auf den Tisch und teilte mit, dass ich Lilou auf keinen Fall essen werde. Unverständnis stand im Raum, sie lachten mich aus, zogen mich auf und ich empfand es auf ein Mal nicht mehr heimelig. Dennoch, mein Besteck blieb liegen und gegen alles Kopfschütteln blieb ich stur.

Auch wenn ich nun viele Jahre später viel besser verstehe, wie unterschiedlich die Sitten an den Tischen dieser Welt sein können. Ich bin dankbar, dass ich damals so gehandelt habe.
Vielleicht hat es mich den Schock leichter verkraften lassen, mit dem Wissen, ich habe meine Prinzipien in eben genau diesem Moment einmal nicht über den Haufen geworfen.

Mit Dank an Helmut Hostnig fürs erinnern ans Erinnern

Lilou 1

Musik: Jacques Brel – Ces Gens La

 

 

 

7 Gedanken zu „Lilou

  1. Liebe San,
    wie GUT ich Dich verstehen kann! Es beruhigt mich! Nun bin ich nicht mehr „alleine“ 😉
    Ich weiß zwar, dass es inkonsequent ist, beim Schlachter Wurst und Schnitzel zu kaufen und mit Genuss zu essen. Aber wir müssen schon in so vielen anderen Dingen im Leben „konsequent“ sein, das genügt mir völlig.
    Danke, dass Du mich auf Deine Geschichte hingewiesen hast!
    Gruß Heinrich

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    • Also der Link den ich sehe, passt denke ich. Nur in Frankreich, war ich damals die Einzige die in Boykott getreten ist und zum Glück war ich auch nicht mehr ganz so klein. Danke für’s Herlegen.

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  2. oh weh und ach. Ich weiß nicht was ich getan hätte- jedenfalls habe ich schon oft genug gehört und gelesen dass Tiere die einen Namen haben nicht selber gegessen werden- ja es gibt Bauern die können ein einmal benamstes Tier nicht einmal an den Schlachter verkaufen.

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