
Es sind jene Tage, die anbrechen, bevor die Sonne aufgeht, die es den Wesen dieser Erde ermöglicht, miteinander in Kontakt zu treten. So war es auch an jenem Morgen, von dem ich erzählen möchte. Nein, ich, wie man sich vorstellen kann, war nicht inmitten des Geschehens, durfte es aber durch Zufall an diesem wundervollen Tag beobachten.
Noch lagen Nebelschwaden über dem Dorf und eben erst auf seinem Bettpfosten erwacht, schwebte der blaue Eisvogel Icy nun, noch die Reste des Schlafs aus seinen Augen reibend, in Richtung der offenen Küchentür. Entlang seines alt vertrauten Weges nahm er, wie jeden Morgen, das Geschnatter der lebenslustigen Tässchen in den alten modrigen Vitrinenschränkchen wahr.
Die Zuckerdose, auf dem aus feinstem Kirschholz gefertigtem Küchentisch, murrte schon mit dem noch unausgeschlafenen Händchen, das nur vorsichtig unter dem Tisch hervorlugte. Sachte schwebte Icy herab und landete direkt neben der Zuckerdose, die ihn wider erwartend freudig mit dem Zuckerlöffel winkend begrüßte.
Er neigte seinen edlen Kopf und sah sie mit seinen dunkelschwarzen Augen fragend an, um sich dann mit seinem spitzen, aber kräftigen Schnabel vereinzelte Zuckerkörner aus seiner Freundin zu stibitzen. Sie musste darauf lachen und schon war diese Stimmung im Raum, die eben nur an Tagen wie diesen sich von alleine herzaubern kann. Zufrieden lächelnd, strich er sein wundervoll farbig glänzendes Gefieder glatt und lief – wie nur ein Eisvogel es kann – schnurstracks und kopfüber das Tischbein des klobigen Küchentisches hinab, um mit einem Satz auf den alten Fliesen des Küchenfußbodens zu landen.
Von hier aus stolzierte er auf seinen zierlichen Füßchen, keck mit dem Kopf wippend, unter den Tisch. Erwartungsvoll streckte sich ihm dort das Händchen entgegen und öffnete sanft seine Handfläche. Mit 2-3 winzigen Hüpfern sprang nun Icy seinerseits hinein. Angekommen, schmiegte er sein Köpfchen zur Begrüßung, sanft und liebevoll gegen die Fingerkuppen des Händchens, welches voller Freude zu beben anfing.
Nun man kann sagen, bis zu diesem Moment war dieser Tag dem Tag davor nicht sehr verschieden. Aber es sind ja oft die kleinen Dinge, die Veränderungen bewirken.
Weshalb ich gerne auch die Details dieses Tages erzählen möchte. Nachdem Icy nun den gewohnten Rundgang durch sein Heim beendet hatte, breitete er seine wundervoll blaufarbenen Schwingen aus und segelte übermütig zum offenen Küchenfenster hinaus. Einmal in den Lüften war er nicht mehr zu halten und schwirrte einem Kolibri gleich voll überströmender Lebenslust umher. Bis ihm plötzlich der Geruch von frischem Fisch entgegen strömte! Kurz verharrte er stehend in der Luft, um dann gleich einem Lichtblitz diesen köstlichen Duftwolken zu folgen.
Seine dunkelschwarzen intelligenten Augen blickten suchend umher, während er über die Dächer des Dorfes hinweg sauste, und trieben ihn immer weiter fort. Man sah ihn Flüsse und Meere überqueren, die kaum ein Menschenauge zuvor gesehen hatte.
Da wurde ihm plötzlich klar, dass würde kein normaler Tag sein. Doch während ihm dieser Gedanke noch durch den Kopf ging, wurde er schon magisch und, ohne zu ermüden, durch den ihn leitenden Duft immer weiter getragen. Eine seltsame Leichtigkeit überkam ihn und dabei wurde ihm klar, er war auf dem Weg!
An dieser Stelle muss ich unseren Freund kurz verlassen, um den Schauplatz wechselnd und der Geschichte die Wende zu geben, die hilft zu verstehen, was diesen Tag so besonders war. Während also unser Icy auf seinem Weg war, geschah am anderen Ende der Welt zeitgleich das Folgende:
Der Inselkontinent Madagasikar erblickte gerade die ersten Sonnenstrahlen, als Gira, eine stolze Giraffendame edlen Geblüts, mit noch zusammengekniffenen Augen aus ihrem Nachtschlaf erwachte. Sie reckte den wundervoll langen Hals und sah sich vorsichtig um.
Noch ungläubig, ob die Nacht wohl schon vorüber sei, erspähte sie ihren Freund Obrigado. Dieser kleine Lemur steckte gerade seine feuchte Nase in den Himmel und blinzelte, ebenfalls noch unbeholfen, in die Sonne. Zu gerne wollte sie mit ihm in seiner Landessprache plaudern, doch leider war Gira trotz der langen Zeit, die sie schon hier lebte, dem Madagasikara noch immer nicht wirklich mächtig.
Eigentlich kam die Giraffendame ja auch aus Paris, aber was sollte man machen, irgendwie war sie eben hier gelandet und Französisch wollte Obrigado partout nicht mit ihr reden. So sprach sie, schlau wie sie war, einfach gar nicht, sondern nickte ihrem Freund nur stumm, aber voll der Liebe zu.
Dieser sah zu ihr empor, ganz in der Art seiner Vorfahren, den tratratratra, denen man nachsagt, sie trügen die Geister der Verstorbenen in sich, blickte er im Sinne seines Namens zurück. Obrigado, für unsereins einfacher zu verstehen, bedeutet Dank, und damit kannte sich der kleine Lemur gut aus.
Man könnte schon fast sagen, er war der Inbegriff der Dankbarkeit.
So standen sie beiden wie schon so oft einfach in stillem Einvernehmen beieinander und genossen die aufgehende Sonne.
Doch dann geschah etwas Seltsames, die wundervoll rotbraunen Flecken der Giraffendame begannen zu leuchten. Zunächst ganz sachte entwichen Ihnen alle braunen Farbnuancen, während zeitgleich das Rot an Intensität gewann. Staunend blickten Gira und Obrigado sich an. Konnte das wirklich geschehen oder waren sie gar noch immer in ihren Träumen der letzten Nacht gefangen?
*Mein Dank an die stets inspirierende Feder des Eisvogels*

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Mensch, Mensch, Mensch, war.
Mensch, Mensch, Mensch war da.