Gevatter Leben

Gestern verzog sich mein Leben.
Unverbogen ist es umgezogen.
Ich zog ihm hinterdrein.

Heute übernahm sich mein Leben.
Ich hab ihm vergeben.
Es darf auch mal schwierig sein.

Im Morgen verliert sich mein Leben
Löst sich von meinem Sein.
Ich jage ihm nach und hole es ein.

Gestern, Heute und Morgen
hielt mir mein Leben die Hand.
Wir haben stets einander erkannt.

Findet mein Leben sein Ende,
gehe ich wohl mit.
Gevatter wirst Du warten?
Wer macht den ersten Schritt?

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War. Da. Gebein.

Mensch, Mensch, Mensch, da.
Mensch, Mensch, Mensch, war.
Mensch, Mensch, Mensch war da.
Da, Da, Da ein Mensch war da
Da, Da, Da, Mensch
Da, Da, Da war da.
War, War, War, Mensch
War, War, War, da
War, War, War, war.
Sein Sein Sein, Menschengebein,
Sein, Sein, Sein, Mensch sein
Sei ein Mensch, Menschengebein!
Nicht Schein nur Sein.

Madagaskar

Gira 7

 

Es sind jene Tage, die anbrechen, bevor die Sonne aufgeht, die es den Wesen dieser Erde ermöglicht, miteinander in Kontakt zu treten. So war es auch an jenem Morgen, von dem ich erzählen möchte. Nein, ich, wie man sich vorstellen kann, war nicht inmitten des Geschehens, durfte es aber durch Zufall an diesem wundervollen Tag beobachten.

Noch lagen Nebelschwaden über dem Dorf und eben erst auf seinem Bettpfosten erwacht, schwebte der blaue Eisvogel Icy nun, noch die Reste des Schlafs aus seinen Augen reibend, in Richtung der offenen Küchentür. Entlang seines alt vertrauten Weges nahm er, wie jeden Morgen, das Geschnatter der lebenslustigen Tässchen in den alten modrigen Vitrinenschränkchen wahr.

Die Zuckerdose, auf dem aus feinstem Kirschholz gefertigtem Küchentisch, murrte schon mit dem noch unausgeschlafenen Händchen, das nur vorsichtig unter dem Tisch hervorlugte. Sachte schwebte Icy herab und landete direkt neben der Zuckerdose, die ihn wider erwartend freudig mit dem Zuckerlöffel winkend begrüßte.

Er neigte seinen edlen Kopf und sah sie mit seinen dunkelschwarzen Augen fragend an, um sich dann mit seinem spitzen, aber kräftigen Schnabel vereinzelte Zuckerkörner aus seiner Freundin zu stibitzen. Sie musste darauf lachen und schon war diese Stimmung im Raum, die eben nur an Tagen wie diesen sich von alleine herzaubern kann. Zufrieden lächelnd, strich er sein wundervoll farbig glänzendes Gefieder glatt und lief – wie nur ein Eisvogel es kann – schnurstracks und kopfüber das Tischbein des klobigen Küchentisches hinab, um mit einem Satz auf den alten Fliesen des Küchenfußbodens zu landen.

Von hier aus stolzierte er auf seinen zierlichen Füßchen, keck mit dem Kopf wippend, unter den Tisch. Erwartungsvoll streckte sich ihm dort das Händchen entgegen und öffnete sanft seine Handfläche. Mit 2-3 winzigen Hüpfern sprang nun Icy seinerseits hinein. Angekommen, schmiegte er sein Köpfchen zur Begrüßung, sanft und liebevoll gegen die Fingerkuppen des Händchens, welches voller Freude zu beben anfing.

Nun man kann sagen, bis zu diesem Moment war dieser Tag dem Tag davor nicht sehr verschieden. Aber es sind ja oft die kleinen Dinge, die Veränderungen bewirken.
Weshalb ich gerne auch die Details dieses Tages erzählen möchte. Nachdem Icy nun den gewohnten Rundgang durch sein Heim beendet hatte, breitete er seine wundervoll blaufarbenen Schwingen aus und segelte übermütig zum offenen Küchenfenster hinaus. Einmal in den Lüften war er nicht mehr zu halten und schwirrte einem Kolibri gleich voll überströmender Lebenslust umher. Bis ihm plötzlich der Geruch von frischem Fisch entgegen strömte! Kurz verharrte er stehend in der Luft, um dann gleich einem Lichtblitz diesen köstlichen Duftwolken zu folgen.

Seine dunkelschwarzen intelligenten Augen blickten suchend umher, während er über die Dächer des Dorfes hinweg sauste, und trieben ihn immer weiter fort. Man sah ihn Flüsse und Meere überqueren, die kaum ein Menschenauge zuvor gesehen hatte.

Da wurde ihm plötzlich klar, dass würde kein normaler Tag sein. Doch während ihm dieser Gedanke noch durch den Kopf ging, wurde er schon magisch und, ohne zu ermüden, durch den ihn leitenden Duft immer weiter getragen. Eine seltsame Leichtigkeit überkam ihn und dabei wurde ihm klar, er war auf dem Weg!

An dieser Stelle muss ich unseren Freund kurz verlassen, um den Schauplatz wechselnd und der Geschichte die Wende zu geben, die hilft zu verstehen, was diesen Tag so besonders war. Während also unser Icy auf seinem Weg war, geschah am anderen Ende der Welt zeitgleich das Folgende:

Der Inselkontinent Madagasikar erblickte gerade die ersten Sonnenstrahlen, als Gira, eine stolze Giraffendame edlen Geblüts, mit noch zusammengekniffenen Augen aus ihrem Nachtschlaf erwachte. Sie reckte den wundervoll langen Hals und sah sich vorsichtig um.

Noch ungläubig, ob die Nacht wohl schon vorüber sei, erspähte sie ihren Freund Obrigado. Dieser kleine Lemur steckte gerade seine feuchte Nase in den Himmel und blinzelte, ebenfalls noch unbeholfen, in die Sonne. Zu gerne wollte sie mit ihm in seiner Landessprache plaudern, doch leider war Gira trotz der langen Zeit, die sie schon hier lebte, dem Madagasikara noch immer nicht wirklich mächtig.

Eigentlich kam die Giraffendame ja auch aus Paris, aber was sollte man machen, irgendwie war sie eben hier gelandet und Französisch wollte Obrigado partout nicht mit ihr reden. So sprach sie, schlau wie sie war, einfach gar nicht, sondern nickte ihrem Freund nur stumm, aber voll der Liebe zu.
Dieser sah zu ihr empor, ganz in der Art seiner Vorfahren, den tratratratra, denen man nachsagt, sie trügen die Geister der Verstorbenen in sich, blickte er im Sinne seines Namens zurück. Obrigado, für unsereins einfacher zu verstehen, bedeutet Dank, und damit kannte sich der kleine Lemur gut aus.
Man könnte schon fast sagen, er war der Inbegriff der Dankbarkeit.

So standen sie beiden wie schon so oft einfach in stillem Einvernehmen beieinander und genossen die aufgehende Sonne.

Doch dann geschah etwas Seltsames, die wundervoll rotbraunen Flecken der Giraffendame begannen zu leuchten. Zunächst ganz sachte entwichen Ihnen alle braunen Farbnuancen, während zeitgleich das Rot an Intensität gewann. Staunend blickten Gira und Obrigado sich an. Konnte das wirklich geschehen oder waren sie gar noch immer in ihren Träumen der letzten Nacht gefangen?

*Mein Dank an die stets inspirierende Feder des Eisvogels*
Icy

Zur Fortsetzung bitte hier entlang.

 

Blanke Gesichter

Augen starr die Nasen gerade,
eingeschlossen in der eignen Fassade
leben sie still in sich gekehrt
ist das denn nun nicht doch verkehrt?

Keine Falte die sie ziert,
narbenlos und glatt rasiert.
Kein Rouge auf den Wangen,
kein Gefühl, kein Verlangen.

Blanke Gesichter sind müde Gestalten,
die sich und andere nur noch verwalten.
Blanke Gesichter wie Du und ich?

Widerlich

Na was ist denn nun mit dem Schubladendenken?

Diese Frage ist mir 2009 begegnet und ich habe sie damals mit unten stehendem Text beantwortet:
Schubladen sind dazu da, sie immer wieder neu zu sortieren, umzuräumen und auch mal aufzuräumen. Niemals sollte man Menschen zu lange in einer verharren lassen, denn dann tun sie Dir manchmal den Gefallen und werden wie Du sie gerne sehen möchtest. Will man das denn wirklich? Ich jedenfalls nicht. Verbogene Menschleins die mit den Schultern noch in den Schubladen klemmen und mit diesen verklemmten Gesichtchen in die Welt blicken, sind niemals ganz und werden es auch nicht wagen aus ihren Schubladen auszubrechen. Nimm viel Farbe und auch mal eine Säge und einen Hammer. Zimmer immer wieder neue Schubladen und bau sie aus, bau sie an und bau auch mal ein Geheimfach hinein.

Jeder Mensch ist ein Geheimnis und etwas ganz Wundervolles das entdeckt werden will, aber nicht bestimmt und abgeschätzt. Wertschätzung macht aus vielen kleinen Schubladen eine Große, in der gemütlich Socken bei den Unterhosen und Sonnenbrillen bei den Krawatten liegen können und auch ein alter Socken und die neue Kette ihre Heimat finden.Ich liebe die bunte Vielzahl an Eigenschaften und Charakterschwächen die Menschen ausmachen und das zu erleben und täglich neu zu entdecken, ist was das Leben ausmacht und letztlich die Welt bunt.

Was mich freut auch heute, immerhin 7 Jahre später, würde ich den Text nicht umschreiben. Ergänzen vielleicht, aber darüber mache ich mir heute keine Gedanken
und schließe das Schublädchen vorerst leise wieder.

Birkenwacht

Lange hielt ich Wacht
in dunklen Tagen
ohne nachzufragen.
Trug Deine Bilder
fort
hab sie gehalten
gelesen
verborgen.

Lange hielt ich Wacht
Du träumst
an manchen Tagen
Hoffnungsschimmer
setzt sich still daneben.
Verwegen.

Am Fluss Deines Lebens
hast Du Dich
verkühlt.
Ein Eisvogel so farbenfroh
trägt nun
das Eis hinfort.

Und irgendwo scheint Sonne
und ich halte die Wacht.
Kein Bussard
wird mich sehen
und neue Birken
sind erwacht.

Der kleine und der große Kosmos

Erster Ausflug in den kleinen Kosmos

Da sitze ich. Die Ohren in den Sessel geschmiegt, die Füße zu einer Seite über die Lehne geschwungen. Mein Alter steht stramm in greifbarer Nähe, und ich fühle mich erstaunlich jung.

Oft in meinem Leben saß ich so und ließ den Gedanken ihren Lauf. Keine Worte zum Lesen, keinen Ton zum Hören, lausche ich einfach meiner mir eigenen Geschichte und höre, was sie mir zu sagen hat. Meine Haare legen sich um den Kopf und die grauen Strähnen betten sich wie kleine Bäche in das ursprüngliche Schwarz hinein. Jetzt trage ich auf dem Kopf, was mich schon immer fasziniert hat. Kleine Bäche. Solche, die irgendwo entspringen, ihren Weg suchen, mit den Flüssen ziehen und sich ankommend ins Meer ergießen. Ob das Meer nicht doch vielleicht silbergrau ist? Ich sollte zeitnah noch mal nachschauen gehen.

Ich lebe gerne in meinen zwei Welten. In der Welt des großen Kosmos und der Welt des kleinen Kosmos, meinem höchsteigenen Selbst. Wenn ich denke, wippt mein kleiner Zeh zustimmend wie in Kindertagen. Er könnte mein Leben erzählen. Stattdessen schweigt und nickt er eben.

Ich bin nicht böse darum, dass manche Episode sich bereits in erste Vergissmichmal-Wölkchen hüllt. Das sind jene, die Erinnerungen in passende Farbe kleidet, damit man sie leichter trägt.

Wenn ich lächle, sausen die Lebenslinien in meinem Gesicht noch immer in die richtige Richtung. Vergeht mir das Lachen, bilden sie bei genauer Betrachtung ein A auf meiner Stirn. Genau zwischen den Brauen. Augenzeuge nenne ich das Zeiten-Tattoo liebevoll. Ich streiche mit geschlossenen Lidern darüber und stelle fest, es braucht keine Mimik mehr, es ist längst ein Teil von mir geworden.

Bald schon werde ich kleiner. Wer weiß, vielleicht stimmt es ja doch und eines Tages verschwinde ich nach einem letzten Gummibärchen mit dem kleinen König Dezember, inmitten all meiner Traumschachteln.
Ich sehe Menschen, die ihren kleinen Kosmos neu mit Toleranz und Träumen befüllen,
bis der große Kosmos endlich wieder Träume zulässt.

Der Tag rennt und der große Kosmos nimmt mich ein.
Ich öffne die Augen, klettere aus dem Sessel.
.

 

Mitten drin

Du bist da.
Mitten drin im Leben mit zwei Füßen fest auf dem Boden.
Du fliegst
mit dem Kopf
hoch hinaus.
Ziehst Energie für deine Wurzeln.

Deine erdigen Hände greifen meine
werden warm.

Ich bin da.
Mitten drin im Leben mit zwei Füßen fest auf dem Boden.
Ich fliege
mit dem Kopf hoch hinaus.
Ziehe Energie für meine Wurzeln.

Meine erdigen Hände greifen Deine
werden warm.

Unsere Hände pflanzen
ziehen Wurzeln.

Wir wachsen.
Mitten drin im Leben mit vier Füßen fest auf dem Boden.