Wie in ein Handtuch gewrungen, sich selbst im Arm haltend, hockte er vor dem strahlenden Schaufenster. Hinter ihm blinkte im grellbunten Farbenspiel ein Baum, Sinnbild für die Familien, die sich nun bald wieder zu Weihnachten unter einem solchen versammeln würden, um sich selbst zu feiern. Schade nur, dass es in den wenigsten Familien wirklich noch ein Fest der Liebe war, das sie gelassen den Rest des Jahres verlachten.
Auch er erinnerte sich an diese Tage. An Menschen, die zu ihm gehörten, ob er sie nun liebte oder nicht. An den üblichen Baum, der für alle an Glanz gewann mit jedem Schluck vom schweren Weihnachtspunsch. Damals waren die Jahre angefüllt mit leeren Flaschen, leeren Worthülsen und dem Geruch nach schweren Gedanken. Seine Kindheit zog an ihm vorüber und gab seiner Jugend die Hand.
Langsam schnitt sich hart das Gitter in sein Gesäß. Warme Luft drang nach oben, und setzte aus der feuchtgewordenen Decke Nebel frei. Keiner, sein Hund, schlief neben ihm und atmete wohlig die Gerüche der nahestehenden Wurstbude und verbellte im Traum die Menschen. Er zog den Mantel enger um den dünnen Leib, trank den letzten Schluck Kaffee aus seinem Becher und stellte diesen zurück an seinen Platz neben dem Schild. Dort stand in feinsäuberlicher Schrift geschrieben:
Manchmal sehnte er sich nach dem Tod, denn dass er den Menschen noch mal wirklich begegnen würde, hielt er für unwahrscheinlicher als diesem zu begegnen. Ja natürlich, da war Keiner, das dicke Fellknäul, das sich irgendwann als er schlief über seine Füße gelegt hatte und einfach geblieben war. Keiner brauchte ihn, so war es eben.
Er begann die Leute herbeizupfeifen, wie jeden Tag. Dabei pfiff er aufs Leben oder das, was für ihn davon übrig geblieben war. Erste Münzen sprangen in seinen Becher und er nickte freundlich. Keiner scherte sich nicht darum wenn er pfiff, nur seine Ohren tanzten im Takt.
Hinter ihnen im Schaufenster schob man gerade eine neue Plastikdame hinein. Auch sie strahlte im hektischen Tanz der Lichterketten. Man stellte sie auf, zog ihr Röckchen zurecht und stülpte ihr eine Weihnachtsmütze über die falschen Haare. Sie lächelt milde, vermutlich ist sie daran gewöhnt.
Weihnachten, ist das nicht egal? Vorweihnachtszeit denke ich, kaufe einen neuen Becher Kaffee und zähle mein Kleingeld.
Keiner schaut mich an.
Wie geht’s dir?
Liebe Morgengrüße
vom Lu
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Lieber Lu,
wie schon bei Deinem Kommentar bei, „Rückfall“ beantwortet, geht es mir gut. Auch hier nochmals lieben Dank der Nachfrage.
Herzliche Abendgrüße
San
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Liebe San, das freut mich *erleichtert guck*
Liebe Grüße zur Nacht vom Lu
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Ein traurig realer Text. Ich mag die Rolle von „Keiner“! Ein genialer Zug!
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..und Keiner lächelt. Dein Gedanke freut mich sehr.
Liebe Grüße
San
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Das ist eine schöne, gefühlvolle Geschichte zum 1. Dezember, liebe San. Überraschend kommt der Perspektivwechsel im vorletzten Satz.
Gute Grüße,
Jules
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Lieber Jules,
es freut mich, dass Dich die Geschichte leise anspricht. Sie ist am 1.Dezember, also heute spontan entstanden. Wo sie herkam kann ich nicht mehr sagen, aber irgendwie war ich wohl dabei. Nur Keiner hat es gesehen. ,-)
Dir einen schönen Abend
San
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Das Niemand-Motiv kommt jedenfalls schon in der Odysse vor.
Dankeschön, den wünsche ich dir auch.
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Viele dieser hier geäußerten Gedanken, liebe San, teile auch ich,
denn Weihnachten ist kein Fest der Liebe, der liebenden Menschen mehr, sondern ein Triumph des Konsums, ein Sieg des schnöden Mammons, den sehr viele Menschen inzwischen mehr verehren als Gott, Jesus, Mutter Allnatur…
Feiner Post von dir!
Herzliche Dezembergrüße vom Lu
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Herzlichen Dezemberdank Dir lieber Lu für Deinen Gedanken.
San
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