Ihre schönste Erinnerung an den Tag der Scheidung

Sie stiefelte mit hoch gezogenem Kragen aus dem Haus, frösteln tut es einen schon bei dem Gedanken, öffentlich mal eben viele gemeinsame Jahre als gescheitert zu erklären. Eigentlich ist es doch nur das Gefühl, selbst gescheitert zu sein, das aus dem Tag der Scheidung einen Nebeltag werden lässt. Sie zog also den Kragen noch höher, schüttelte sich und ging mit erhobenem Haupt aus dem Haus. Ein wenig Stolz sollte man möglichst bewahren.

Auf dem Weg zum Auto schlängelte sich der Weg am Briefkasten vorbei, und sie öffnete ihn mutig. Sie dachte, an einem Tag wie diesem, kann unmöglich auch noch so etwas wie eine Rechnung darin sein. Als er sich knarrend öffnete, nahm sie im Augenwinkel schon das rosa des Papiers wahr. „Na super“, dachte sie bei sich und griff mutig in das Maul des Löwen hinein und zog die kleine Karte heraus. „Bitte holen sie mich auf der Post ab“, stand in winzigen Lettern auf dem Kärtchen.

Sie zuckte zusammen, dachte aber still bei sich: „Was soll schon passieren“. So hielt sie mit dem Auto kurz darauf vor der kleinen Post, ging hinein und hielt schon fast trotzig dem guten Mann am Schalter das kleine Pappkärtchen entgegen. Er verschwand in dem anliegenden Nebenraum und sie sah ihm ungläubig nach. Als er wieder um die Ecke bog, lächelte er sie verschmitzt an, zumindest kam es ihr in dem Augenblick so vor, und überreichte ihr ein Paket. Sie nahm es, lächelte ihm zu, während sie so tat, als hätte sie auch nur im Ansatz einen Schimmer davon, wo es herkam. Im Auto setzte sie es vorsichtig auf dem Beifahrersitz ab, behielt es aber aus dem Augenwinkel fest im Blick. Warum sie es nicht gleich geöffnet hat, fragt sie sich noch heute.

So fuhren also ihr Paket und sie zum bevorstehenden Scheidungstermin. Wie immer war sie spät dran, nun, so ganz spurlos gehen Jahre gefüllt mit italienischer Lebensweise auch nicht an einem vorbei. Zum Glück ergatterte sie einen letzten Parkplatz direkt vor dem Gerichtsgebäude, klemmte ihr Auto in die verbleibende Lücke, schnappte ihre Tasche und stürmte die alte Treppe des Gerichtsgebäudes hinauf, den Gang entlang, bis sie vor dem genannten Saal ankam. Ihr Mann, noch war er das ja schließlich, war schon da und saß leichenblass gegenüber der schweren Holztür, die sie aktuell noch vom Geschehen trennte. Als sie kam, sah er auf, lächelte sie an und meinte:“ Das kann wohl noch eine Weile dauern.“ Während sie ihn noch erstaunt musterte, drangen Stimmen durch die Holztür und schnell wurde ihr bewusst, wer auch immer die Menschen waren, die da gerade versuchten, ihre Leben voneinander zu lösen, die hatten definitiv ein ganz anderes Problem.

Sie zuckte zusammen, denn mitten in ihrem Gedanken riss jemand die Tür auf und stürmte in Begleitung eines Anwalts aus dem Raum. Schreien und Unmut drang an ihr Ohr und plötzlich war ihr klar, warum ihr Mann so blass war. Vom Gefühl war es ähnlich einem komplizierten Eingriff beim Zahnarzt, und der Patient der vor einem dran ist, schreit vor Schmerzen, als würde man ihm gerade bei lebendigem Leib die Innereien einzeln heraus drehen. Der Gedanke fesselte sie, als die schreiende Gruppe auch schon zurück kam und, noch immer laut tobend, wieder in dem Saal verschwand. Sie sahen sich an und in ihren Augen spiegelte sich eine Antwort auf die jetzt im Raum stehende Frage. Nein, sie würden es so nicht haben wollen. Noch in diesem Gedanken verhaftet, flog abermals die Tür des Saales auf und nun stürmte offensichtlich die Frau, mit dem Anwalt ihrer Wahl, keifend an ihnen vorüber, um Minuten später wieder im Saal zu verschwinden.

Sie wollte nur noch raus. Da endlich bog ihre Anwältin in den Gang ein und kam zu ihnen herüber. Sie drehte den Kopf zur Seite, lauschend das Ohr in Richtung Tür und sagte:“ Ich glaube das dauert noch.“ So gingen ihr Mann und sie hinaus, einfach Luft und Abstand zu diesem Getobe, welches ja zum Glück wenigstens nicht das ihrige war. Auf der Straße angekommen, fiel ihr das Paket wieder ein. Sie entschuldigte sich und rannte zu ihrem Auto. Zog das Paket heraus und trug es vorsichtig zur nächsten Parkbank. Warum sie das tat? Ich habe keinen blassen Schimmer. Aber tendieren Menschen nicht schon mal dazu, in Stresssituationen absonderlich zu reagieren?

Sie setzte sich neben das Paket und besah es sich in Ruhe, bevor sie es vorsichtig aus dem Packpapier wickelte. Eine wunderhübsche Geschenkverpackung mit selbst gemalten kleinen Episoden darauf, an die sie sich alle sofort erinnerte, kamen zum Vorschein. Da wusste sie, woher das Päckchen kam. Freunde hatten es für diesen Tag und nur für sie gepackt. Endlich war Platz für ein paar Tränen, wenngleich es in diesem Moment doch eher Freudentränen waren.

Der Park, die Parkbank, das Gerichtsgebäude, ihre nebligen Gedanken,
alles versank in diesem Päckchen, während nicht nur in ihr plötzlich die Sonne wieder aufging.

Was aber war in dem Päckchen? Dürfte sich der eine oder andere neugierig fragen…..

Sie möchte es Euch verraten. Einfach ein paar sehr persönliche Gesten, die in einem Moment wie diesem Halt und das Gefühl geben können, man ist nicht alleine auf der Welt und das Leben nach diesem Tag erwartet einen bereits.
Ein Lächeln, Dankbarkeit und einfach ein gutes Gefühl hat es ihr geschenkt.

Kürzlich schickte sie mir eine kleine Übersicht und das nachfolgende Märchen,
mit den folgenden Worten:

Ich erlaube Dir heute einen kleinen Blick in diese meine ganz persönliche Schatzkiste. Vielleicht möchte ja doch einmal Jemand eine ähnliche Kiste im Zuge der Scheidung oder eines anderen Schicksalsschlags eines Freundes oder einer Freundin verschicken.
Ein Auszug aus dem Inhalt meiner Schatzkiste:
> Eine Schildkrötenmama mit einer kleinen Schildkröte auf dem Rücken
> Ein selbstgeschriebenes Märchen
> Eine handsignierte Single von Heintje: Scheiden tut weh
>  und den vielleicht schönsten, persönlichsten Brief, den ich je bekommen habe

Das Märchen, Autor mir bekannt
Mit den besten Wünschen ihm zu seinem heutigen Geburtstag und meinem Dank,
die Neuauflage seiner Worte.

Das Märchen vom Eichhörnchen, dem Marder und der Schlange

Es war einmal ein junges Eichhörnchen, das lebte in einem großen Wald. Das Eichhörnchen war jung und sehr schön. Es hatte einen großen, buschigen Schwanz, sein Fell glänzte und seine Augen funkelten wie Edelsteine, wenn es mit seinen Freunden zusammen war und erzählte.  Das Eichhörnchen hatte viele Freunde, die alle gut zu ihm waren. Sie brachten ihm viele Nüsse für den langen Winterschlaf, die Bärenfamilie lud es zu feinem Honig ein und die Vögel des Waldes pflückten große Beeren,  um sie ihm zu schenken. Das Eichhörnchen träumte davon eines Tages zu heiraten und Kinder zu haben
und glücklich in seinem Wald zu leben.

Eines Tages traf das Eichhörnchen einen Marder. Der sah sehr gut aus, so richtig schlank und rank. Er konnte sehr schnell rennen und viele Tiere bewunderten ihn. Er kam aus einem anderen Wald und hatte viele interessante Geschichten von fremden Wäldern und den Siedlungen der Menschen zu erzählen. Das Eichhörnchen verliebte sich sehr in ihn und bald feierten sie eine schöne Hochzeit mit allen Tieren des Waldes. Kurz darauf kam auch schon Nachwuchs und das Eichhörnchen glaubte sich am Ziel seiner Träume.
Der Marder allerdings, liebte das Familienleben nicht so sehr. Er beachtete die Freunde
vom Eichhörnchen kaum, weshalb sich viele abwandten. Der Marder mochte lieber die Autos in den Wohnsiedlungen außerhalb des Waldes, bei denen er gerne die Kabel durchbiss. Er besuchte auch regelmäßig die Nachbarwälder, wo er sich mit wilden Tieren
und anderem Gesindel traf. Oft war er tagelang nicht zu hause und das Eichhörnchen fühlte sich oft alleine und traurig.

Eines Tages, der Marder war schon wieder tagelang nicht nach Hause gekommen, fegte ein
ganz schrecklicher Sturm über den Wald. Riesige Tropfen fielen vom Himmel, so dass viele Höhlen überschwemmt wurden. Ein stürmischer Wind fällte kleine und schwache Bäume und die Tiere fürchteten sich sehr. Zum Glück kannte sich das Eichhörnchen in seinem Wald sehr gut aus. Es packte sein Kind, kletterte auf den stärksten Baum im Wald, wo es sich und sein Kind in einem geschützten Loch im großen Stamm in Sicherheit brachte.
Der Marder war weit weg und Niemand wusste, wo er war und was er trieb.

Als das Eichhörnchen nach dem Sturm auf den Waldboden zurückkehrte traf es auf die Schlange. Niemand im Wald mochte die Schlange. Sie war böse und fraß kleine Tiere,
auch Eichhörnchen, in einem Stück auf. Das Eichhörnchen wollte schon flüchten, da hörte
es die Schlange weinen und um Hilfe bitten. „Ich bin unter diesem umgestürzten Baum
eingeklemmt und niemand will mir helfen, weil ich keine Freunde habe“, sagte die Schlange. Das Eichhörnchen hatte erbarmen und es holte den Hirsch, der mit seinem
großen Geweih den Baumstamm hochhob, so dass die Schlange sich befreien konnte. Kaum war sie frei, das Eichhörnchen wollte schon weiter springen, da reckte sich die Schlange senkrecht gegen den Himmel und ein blaues Licht umgab sie plötzlich.
Unter den staunenden Augen des Eichhörnchens verwandelte sich die Schlange in eine
schöne Fee und sie sprach:“ Du, liebes Eichhörnchen, hast mir geholfen, obschon ich im Körper dieser Schlange gefangen war. Damit hast Du mich befreit. Ich bin die gute Waldfee
und kenne Dich schon lange. Ich weiß das Du ein schweres Leben hast und dass Dich Dein Marder im Stich lässt und betrügt. Ich würde Dir gerne helfen, Dich von ihm zu trennen und wieder so glücklich zu werden, wie du früher warst.“ Das Eichhörnchen war verblüfft.
Es stimmt, dass es sich vom Marder trennen wollte, aber es hatte Angst alleine mit seinem Kind zu leben und allen Gefahren des großen Waldes ausgesetzt zu sein. Das erklärte sie der guten Waldfee. Diese dachte lange nach. Dann sagte sie: „Ich verstehe Deine Bedenken. Aber ich habe eine Idee. ich verwandle Dich und Dein Kind in Schildkröten.
Dann hast Du zwar keinen schönen buschigen Schwanz mehr, aber der starke Panzer
ist auch hübsch und wird Euch vor allen Gefahren schützen. Ihr werdet damit in Ruhe und
Sicherheit leben können.“ Gerne stimmte das Eichhörnchen zu und – schwupps -war es eine Schildkröte und auch sein kleines Kind auf dem Rücken wurde zu einem süßen
Schildkrötchen.

Die beiden gingen zurück in ihre Wohnung und als der Marder, der von diesem ganzen Sturm gar nichts mitbekommen hatte, nach Hause kam, erkannte er sein Eichhörnchen
und sein Kind nicht wieder. Sie verwiesen ihn der Tür und niemand weiß, wo er sich bis heute herumtreibt. Die Schildkröten, die einmal Eichhörnchen waren, aber lebten glücklich und sicher unter ihren Panzern. Alle Tiere des Waldes wurden wieder ihre Freunde und freuten sich mit ihnen. Die Augen der Schildkröten funkelten wie Edelstein

2 Gedanken zu „Ihre schönste Erinnerung an den Tag der Scheidung

    • Solange das Eichhörnchen in der Schildkröte weiter lebt, sehe ich da kein Problem. Und wer weiß, vielleicht wird das Eichhörnchen auf diese Weise noch eine alte weise Schildkröte wie Morla. ,-)

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