Der kleine und der große Kosmos

Erster Ausflug in den kleinen Kosmos

Da sitze ich. Die Ohren in den Sessel geschmiegt, die Füße zu einer Seite über die Lehne geschwungen. Mein Alter steht stramm in greifbarer Nähe, und ich fühle mich erstaunlich jung.

Oft in meinem Leben saß ich so und ließ den Gedanken ihren Lauf. Keine Worte zum Lesen, keinen Ton zum Hören, lausche ich einfach meiner mir eigenen Geschichte und höre, was sie mir zu sagen hat. Meine Haare legen sich um den Kopf und die grauen Strähnen betten sich wie kleine Bäche in das ursprüngliche Schwarz hinein. Jetzt trage ich auf dem Kopf, was mich schon immer fasziniert hat. Kleine Bäche. Solche, die irgendwo entspringen, ihren Weg suchen, mit den Flüssen ziehen und sich ankommend ins Meer ergießen. Ob das Meer nicht doch vielleicht silbergrau ist? Ich sollte zeitnah noch mal nachschauen gehen.

Ich lebe gerne in meinen zwei Welten. In der Welt des großen Kosmos und der Welt des kleinen Kosmos, meinem höchsteigenen Selbst. Wenn ich denke, wippt mein kleiner Zeh zustimmend wie in Kindertagen. Er könnte mein Leben erzählen. Stattdessen schweigt und nickt er eben.

Ich bin nicht böse darum, dass manche Episode sich bereits in erste Vergissmichmal-Wölkchen hüllt. Das sind jene, die Erinnerungen in passende Farbe kleidet, damit man sie leichter trägt.

Wenn ich lächle, sausen die Lebenslinien in meinem Gesicht noch immer in die richtige Richtung. Vergeht mir das Lachen, bilden sie bei genauer Betrachtung ein A auf meiner Stirn. Genau zwischen den Brauen. Augenzeuge nenne ich das Zeiten-Tattoo liebevoll. Ich streiche mit geschlossenen Lidern darüber und stelle fest, es braucht keine Mimik mehr, es ist längst ein Teil von mir geworden.

Bald schon werde ich kleiner. Wer weiß, vielleicht stimmt es ja doch und eines Tages verschwinde ich nach einem letzten Gummibärchen mit dem kleinen König Dezember, inmitten all meiner Traumschachteln.
Ich sehe Menschen, die ihren kleinen Kosmos neu mit Toleranz und Träumen befüllen,
bis der große Kosmos endlich wieder Träume zulässt.

Der Tag rennt und der große Kosmos nimmt mich ein.
Ich öffne die Augen, klettere aus dem Sessel.
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