„Viel Glück mit diesem Tag“, sollte das Motto solcher Tage sein. Sie jedenfalls hatte diesen Spruch für sich zum Leitspruch erhoben. Nicht weil sie dem Leben ängstlich gegenüber stünde, eher wegen der vielen Überraschungen, die so ein Tag in sich verbergen konnte. Doch dieser Tag war anders, es war ein magischer Tag.
Nun zunächst einmal, war er aber lediglich der letzte Tag der Arbeitswoche. Ein Freitag und nicht einmal ein 13ter. Die Woche war lang, die Nächte waren kurz und obendrein hatten sich Spülmaschine und Waschmaschine verabschiedet. Mitte der Woche, hatte dann ein fehlendes Überlaufventil den Keller überschwemmt und das berühmte drei Tage Fieber hatte sich Mal eben um ihr Söhnchen gelegt. Der kleine Fiat vor der Tür brauchte dringend mal wieder liebevolle Streicheleinheiten, denn mit seinen 15 Jahren, war er zwar ein stolzer Italiener, aber nun durch das nasskalte Wetter in Deutschland, doch sichtlich angeschlagen. Zwei kleine Monster hatten die neue Knete in sämtlichen Schlüssellöchern der Wohnung verteilt und der Versuch nebenbei, dem italienischen Nonno eine mehrstöckige Torte zu backen, war eine wundervolle Idee, aber in der Umsetzung hatte sie wohl vergessen, dass so ein Bauwerk nach Fertigstellung, noch irgendwie in die Transportschachtel wollte. Also bestand die Kuchenlieferung letztlich aus den kläglichen Überresten des schiefen Turms von Pisa.
„Doch nun war es Freitag und auch diesen Tag würden sie noch bezwingen“, so oder so ähnlich waren wohl ihre Gedanken, als ihr Wecker sie wie gewohnt, um 6 Uhr aus dem Bett locken wollte. Mit noch geschlossenen Augen versuchte sie, ein wenig hilflos, da körperlos, ihren Geist zum Aufstehen zu bewegen.
Im Nebenzimmer nahm sie bereits die vertraute morgendliche Geräuschkulisse wahr, die ihr deutlich signalisierte, bitte schnell die Füße, vor die Bettkante zu schwingen. Mit einer Hand rieb sie sich noch die Augen wach, während die andere Hand nach geeigneten Kleidungsstücken suchte. „Mama“, erklang das vertraute kleine Stimmchen, als sie schlaftrunken mit der Kleidung auf dem Arm, über den Teppich stolperte. „Morgen kleine Bratkartoffel“, murmelte sie schlaftrunken und klemmte ihr Söhnchen auch noch unter den Arm. Die Kleidung ließ sie im Vorbeigehen im Bad fallen und trabte mit dem kleinen Engel, in die Küche. „Nichts geht über ein gutes Frühstück“, sagte sie ernsthaft mit dem Schalk in den Augen, der sie immer dann erwischte, wenn sie dabei war wach zu werden. „Nichts geht über ein gutes Frühstück und einen Kaffee für die Mama“, brachte sie unter einem Lächeln hervor, während das kleine Etwas neben ihr, schon einmal artig auf sein Stühlchen kletterte und belustigt zusah, wie sie versuchte mit dem Rest ihres Gehirns, zeitgleich Frühstück und Kaffee zu zaubern. „ Ja, das kann so durchgehen“, hörte sie sich brummeln und schob, dem kleinen wachen Monster sein Frühstück vor die Nase und lies sich mit ihrem Kaffee in der Hand erst einmal auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. Kaffee hat die wundervolle Eigenschaft ein Wecker für den Geruchssinn zu sein und so sog sie brav das Aroma durch die Nase ein, während sie in ihrer Vorstellung durch die Kaffeetasse hindurch auf den Grund sank, um einfach mal auszuruhen. „Wirkung unbekannt aber gut“, wäre eine wundervolle Aufschrift für diesen Kaffee gewesen, denn auf wundersame Weise, kehrten die Lebensgeister zurück. Das verkrümelte Kind schob wie jeden Morgen, noch das Frühstück in seine Lieblingstasche, die mit dem kleinen Hasen, der die ganze Welt bereiste und den er so liebte und ging an den Start, am Treppenabsatz.
Das Wettrennen ins Bad begann und wie so viele Male gewann er und empfing sie mit einem breiten Lächeln in der Badezimmertür. Die zweite Runde wurde eingeläutet, Zähneputzen auf Zeit, ein ebenso nettes Ritual und dann, direkt das kleine Schaummonster unter die Dusche gestellt. Sein Lachen war ansteckend, sie musste einfach mitlachen und ganz besonders dafür liebte sie ihn.
Während er im Handtuch auf dem Klodeckel saß, sprang sie unter die Dusche und gab eines ihrer Lieblingslieder zum Besten. Das gute Nachtlied von Luna und dem blauen Bären, stand ganz weit oben auf der Hitliste, hatte nur leider einen klitzekleinen Nebeneffekt. Man träumte mal wieder vom Abend, an dem man dann endlich ins Bett sinken konnte. „Nur noch der Freitag“, versuchte sie sich zu motivieren und lächelte verträumt ihre Toilette mit dem Geschenkpäckchen darauf an. „Wäre doch gelacht, wenn wir den nicht auch noch über die Bühne bekommen“, sprach sie sich Mut zu, während sie sich im Gleichklang abtrockneten und mit Spiel Nr. 3 begannen. Spiel Nummer 3, *Wer ist schneller angezogen“, war noch im vollen Gange als ihr einfiel, dass sie auch noch Brötchen mitbringen musste, für ein gemeinsames Frühstück in der Firma. Nun musste das Spiel eindeutig beschleunigt werden. Während der kleine Kamm noch durch seine Haare fuhr, versuchte sie in Rekordgeschwindigkeit all die Widerspenstigen auf ihrem Kopf zu zähmen. „Himmelreich für einen Pferdeschwanz“, resignierte sie schließlich und lies das vermaledeite Gestrüpp in einem Haargummi verschwinden. „ Farbe ich brauche Farbe“, stieß sie bei einem Blick in den Spiegel, der eindeutig nicht zeigte was sie sich wünschte, hervor. Während sie wild nach sinnvollen Farbressourcen Ausschau hielt, die ihr eine Chance gaben doch so Etwas wie Augen in ihr Gesicht zu zaubern, versuchte sie mit einer Hand die täglichen Knoten aus den Schnürsenkeln des kleinen Sportsmannes zu lösen. „Verdammt, der Eyeliner saß“, schoss es ihr durch den Kopf, während Tränen des Schmerzes in ihre Augen schossen. Wieder dieses Lachen aus dem Hintergrund,“ Mama Du siehst lustig aus“. „Ob die Kollegen es wohl auch als so lustig empfanden“, war die Frage die sie nun innerlich beschäftigte, während sie sich bemühte den Schaden zu begrenzen. „Egal da ist nichts mehr zu retten“, legten sich die Gedanken schwer auf ihr Gemüt, wie eben noch der Eyeliner in die Augen. Sie konzentrierte sich, um sicher zu gehen, dass im Ablauf nichts vergessen wurde und schnappte mit einem wohlwollenden Nicken, dass Kind in Kleidung, die noch überall war nur nicht da wo sie eigentlich hingehörte und verpackte es ordentlich. Zuletzt versuchte sie sich noch einmal in einem Schnellkurs, „wie ziehe ich ab Morgen auch Schnürschuhe alleine an“ und entließ das Kind schon einmal zu seinem Hasen, fertig für die Weltreise in den Kindergarten. Ein letzter Blick in den Spiegel verriet ihr, dass sie wohl mit sich leben lernen musste und alle anderen auch.
„Was bedeutet schon das äußere Erscheinungsbild, wenn man mit guter Arbeit glänzt“, waren ihre letzten aufmunternden Worte an sich selbst. Sie rauschte die Treppe hinab und trat tapfer das nächste Abenteuer des Tages an und wir wollen festhalten, es war ein ganz normaler Freitag. Auf der Straße angekommen, begrüßten sie voller Ehrfurcht den kleinen rassigen Italiener. „Spring rein Schatz und nimm deine Tasche mit, „rief sie während sie sanft über den Kotflügel strich und innerlich ein erstes Gebet anstimmte. Dann schwang sie sich hinter das Lenkrad, bereit die Kommunikation aufzunehmen. Auf dem Rücksitz war bereits ein kleiner Fahrgast mit dem morgendlichen Autoritual befasst. „ Guten Morgen mein Lieber, wie geht es Dir denn Heute, “ erklang ein Kinderstimmchen vom Rücksitz. „Würdest Du uns netterweise zum Kindergarten bringen“, setzte es noch nach, während eine kleine Hand voller Hingabe das Seitenfenster streichelte. Bei diesen magischen Worten, versuchte sie Vorne den Schlüssel zu drehen und den Motor zu starten. Er sprang an, wie fast jeden Morgen, hustete noch ein wenig aber dann hörte man sein beruhigendes, gleichmäßiges Schnurren. Die Beiden sahen sich durch den Rückspiegel siegessicher an und schenkten dem entzückenden Auto und ebenso geschätztem Familienmitglied, noch viele aufmunternde Worte während es seinerseits brav zum Kindergarten zockelte.
Dort angekommen, sprang sie fast gleichzeitig mit Kind und Hasentasche aus dem Auto, Spiel Nr. 4 begann auf dem Bürgersteig. Es hatte den aufregenden Namen, „Der Erste darf bleiben“ und ja sie ließ ihn hier, pädagogisch nicht wertvoll, eigentlich immer gewinnen. Der kleine Mann gewann auch am heutigen Tag. Doch hier geschah es, der Tag wandelte sich auf wundersame Weise, als die Beiden an der Tür angekommen waren.
„Mama, die lassen mich nicht rein“, fiepste ein enttäuschtes Stimmchen, während die Augen des dazugehörigen Kopfes durch die Glastür den langen Gang sehnsuchtsvoll entlang blickten. So stand sie da, die Mutter mit ihrem Kind und fieberhaft begann sie, ihr Gehirn nach Hinweisen zu durchsuchen. „Verdammt warum sagen die mir denn nicht, wenn mal eben ein freier Tag eingeschoben wird“. „Habe ich doch etwas überlesen, was mache ich denn jetzt vor Schreck,“ ratterte hilflos und nun völlig eigenständig, ihr Gehirn. Während sie tröstend ihr Kind auf den Arm nahm, wohl auch um sich selbst zu beruhigen und einen Schlachtplan zu erdenken, suchte sie nach ihrem Handy, um den Tag irgendwie wieder in seine Ordnung zu bringen. So starrte sie auf der Suche nach einer geeigneten Nummer, das Display an.
Da völlig unerwartet geschah es, das Wunder, welches aus einem gewöhnlichen Freitag einen Samstag werden lässt, nahm seinen Lauf. Zeitgleich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Es ist Samstag Söhnchen“, stieß sie erleichtert hervor. Er sah sie mit großen Kinderaugen an und sagte:“ samstags ist kein Kindergarten oder? “Nein, Samstags ist kein Kindergarten Schatz“, sang sie während sie das kleine Geschenkpaket durch die Luft wirbelte und begriff, das war kein Freitag, es war ein magischer Samstag, der Ihnen jetzt alle Zeit der Welt einräumte.
Vielleicht sollte man zum Schluss noch erwähnen, der magische Samstag wurde genutzt. Denn sie kauften sich an diesem Tag einen magischen Pool, den sie in stundenlanger Fronarbeit aufbauten. Doch das ist eine Geschichte für sich.
Am Abend des magischen Samstags sprangen sie hinein, eigentlich viel zu spät für ein Kind in dem Alter, sahen dankbar in den Himmel, denn irgendwas an diesem Samstag hatte ihr gesagt, dass egal wie viele Waschmaschinen noch explodierten, Trockner den Geist aufgaben, Keller überschwemmten, Autos Streicheleinheiten brauchten und egal wie viele schiefe Türme von Pisa sie noch backen würde, sie und ihr Söhnchen würden ihren Weg gehen.
So sind glückliche Tage eben, sie tauchen Samstage wie diesen in genau dieses Licht.
Liebe San, diese Geschichte beglückt mich sehr. So fein geschrieben, so fühlbar erzählt. Danke dafür!
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Danke Dir. Ich freue mich sehr, dass Du Dir die Zeit genommen hast sie zu lesen.
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Liebe San, hoffe diese Mail landet jetzt bei Dir, denn ich würde deine Kurzgeschichte gern mit meinem Blogbeitrag verlinken. Was hältst du davon? Alles Gute in deinen Tag, Gabi
> Das Glück ist ein dünner Mantel – Geschichten einer Erzähler
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Liebe Gabi, sehr gerne. 🙂
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